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Concept of the memorial space

Concept eines Gedenkortes Josephstraße 7

1. Hintergründe

In Leipzig lebten vor der Zeit des Nationalsozialismus ungefähr 12.000 Menschen jüdischen Glaubens. Ein Zentrum des jüdischen Lebens war der Leipziger Westen, hier befanden sich unter anderem die Kaufhäuser Joske und Held wie auch ein jüdisches Bethaus in der Aurelienstraße 14. Unser Ziel ist es, die Erinnerung an diesen Teil der Stadtgeschichte von Leipzig und insbesondere auch jene an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten. In den vergangenen Jahren sind bereits einige Initiativen und Projekte zum jüdischen Leben in Leipzig entstanden, beispielsweise die Homepage http://www.juedischesleipzig.de/ oder auch die Stolpersteine an verschiedenen Orten in der Stadt.
Die heutige Brachfläche in der Josephstrasse 7 ist ein historischer Ort jüdischen Lebens vor 1933. Er steht im größeren Zusammenhang mit der Geschichte des jüdischen Lebens in Leipzig vor, während und nach dem Nationalsozialismus und der Shoah. Die Initiativgruppe Josephstraße 7 möchte auf dem Gelände einen lebendigen Gedenkort schaffen, der exemplarisch die Geschichte der Leipziger Juden und Jüdinnen darstellt über den konkreten Ort einen unmittelbaren Bezug zu ihr herstellt.
Neben der Erinnerung an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus stellt ein solcher Gedenkort einen Ort der Mahnung dar und setzt als ein zivilgesellschaftliches Projekt ein klares Zeichen gegen aktuelle diskriminierende und menschenverachtende Einstellungen und Handlungen, insbesondere in Leipzig Lindenau, wo 2008 das „Bürgerbüro“ des NPD-Abgeordneten Winfried Petzold in der Odermannstraße eröffnet worden ist. Als eine Inititative von engagierten Bürgern und Bürgerinnen der Stadt Leipzg fügt sich der geplante Gedenkort in der Josephstraße 7 in die geplanten Umstrukturierungsprozesse des Viertels, beispielsweise das Stadtteilkonzept des „Bildhauerviertels“ in Lindenau ein.

In der Josephstraße 7 lebten die Familien Reiter und Lotrowsky. Isidor Reiter betrieb eine Rosshaarsortieranstalt. Am 28. Oktober 1938 wurden er und seine Familie zusammen mit mehreren Tausend anderen Leipziger Juden und Jüdinnen nach Polen deportiert. Isidor Reiter wurde dort später von Nazis umgebracht. Ida Jetty Lotrowsky wurde am 21. Januar 1942 nach Riga deportiert und ist dort verschollen. Die Tochter von Isidor Reiter – Amalia Schinagel – konnte nach New York emigrieren, wo sie bis Ende der 1990er Jahre lebte. Als rechtmäßige Erbin hat sie das Grundstück Josephstraße 7 mit dem mittlerweile unbewohnbaren Haus 1991 zurück erhalten. Sie selbst hatte kein Interesse nach Deutschland zurück zu kehren. Niemand wollte das Haus in der Josephstraße 7 kaufen, das daraufhin nach und nach verfallen ist. 1998 verlangte die Stadt Leipzig Steuern von ihr. Amalia Schinagel antwortete wütend und traurig darauf, dass sie nicht einsehe, warum sie Geld für ein Haus bezahlen solle, das ihr erst gestohlen und dann in einem unbrauchbarem Zustand zurück gegeben wurde. In einem Brief wante sich Amalia Schinagel an die Stadt Leipzig. Diese Schreiben machte uns auf die Geschichte der Josphstraße 7 aufmerksam und war schließlich ausschlaggebend für Idee auf diesem Grundstück einen Gedenkort zu errichten.

Das Gelände ist aktuell mit rund 40.000 € belastet, da noch Steuern ausstehen und die Stadt Leipzig das baufällige Haus 2006 abreißen ließ. Das Liegenschaftsamt wurde bereits beauftragt, das Grundstück zu versteigern. Auch wenn noch kein Termin für die Zwangsversteigerung steht, ist schnelles Handeln notwendiger denn je.

2. Ziele

Wir setzen uns für einen lebendigen Gedenkort für die Jüdinnen und Juden des Leipziger Westens und deren Verfolgung und Vernichtung in der Zeit des Nationalsozialismus ein. Dieser Gedenkort soll sich in der Josephstraße 7 befinden und folgende Ziele und Funktionen erfüllen:

a) Dokumentation
der jüdischen Bewohner_Innen des Hauses in der Josephstraße 7 und des jüdischen Lebens im Leipziger Westen vor dem Nationalsozialismus
der Verfolgung der Juden und Jüdinnen während des NS in Leipzig, insbesondere im Leipziger Westen
der Geschichte der jüdischen Gemeinde und der früheren jüdischen EigentümerInnen nach1945, der Geschichte des Hauses in der Josepstraße 7 und des generellen Umgangs mit jüdischem Eigentum nach 1945

b) Bildung und Wissensvermittlung
Errichtung einer Bildungs- und Begegnungsortes und einer Geschichtswerkstatt für interessierte Gruppen, beispielsweise für Leipziger Schülerinnen und Schüler (z.B. der Nachbarschaftsschule, Helmholtzschule oder Robert-Schumann-Schule).

c) Begegnung und Austausch der Anwohner und Anwohnerinnen des Viertels

3. Gestaltung

Entwurf Nach unseren Vorstellungen soll der geplante Gedenkort einem Konzept des offenen und lebendigen Gedenkens folgen. Das Gelände Josephstraße 7 kann sowohl von der Josephstraße, als auch vom angrenzenden ‚Buchkindergarten‘ betreten werden. An der Stirnseite des Grundstückes, zur Josephstraße hin, ist eine Tafel mit Informationen über den Gedenkort und das frühere Wohnhaus geplant. Auf dem Grundstück selber soll eine erhöhte Rasenfläche gestaltet werden, die den Grundriss der ehemaligen Wohn- und Arbeitsflächen der Familien Reiter und Lotrowsky abbildet. Auf dieser Rasenfläche soll es für die Anwohner_Innen und Besucher_Innen möglich sein, sich niederzulassen und ins Gespräch zu kommen. Außerdem ist auch eine Nutzung durch die Kinder des angrenzenden Kindergartens gewünscht. Im hinteren Teil des Grundstücks – im ehemaligen Hof – sind weitere Tafeln geplant, die sowohl über die Geschichte des Hauses als auch über die jüdische Geschichte Leipzigs informieren. Die Lokal- und Stadtgeschichte in Leipzig Lindenau wird dabei in den größeren Kontext der deutschen Geschichte des Nationalsozialismus verortet. Gleichzeitig soll es möglich sein, durch die räumliche Nähe die schrittweise Marginalisierung und Entrechtung der Juden und Jüdinnen, die in Deportation und systematischer Vernichtung gipfelte anschaulich zu vermitteln. Darauf aufbauen sind begleitete Rundgänge (z.B. für Schulklassen) und Workshops zur Geschichte des Hauses geplant.

4. Verantwortlichkeiten

Sowohl die Betreuung und Pflege des Grundstückes, als auch die Recherchearbeiten werden durch den Initiativkreis bestehend aus engagierten Leipziger Bürger_Innen in Eigenverantwortung übernommen. Dazu ist geplant einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Die Umgestaltung des Ortes soll sowohl in der Konzeption als auch deren konkreter Umsetzung im Kontext mit den weiterführenden Plänen zur Umgestaltung des Viertels unter direkter Beteiligung der Anwohner_Innen der Josephstraße stattfinden. Dabei gründet die Errichtung eines solchen Gedenkortes maßgeblich auf dem ehrenamtlichen Engagement und soll dieses darüber hinaus bestärken.

Um dem Erinnerungsort Josephstraße 7 eine langfristige Perspektive zu geben arbeitet der Initiativkreis auf eine Nutzungsrecht auf unbestimmte Zeit hin. Der damit betraute Verein verpflichtet sich im Gegenzug das Grundstück gemäß seiner Satzung als Gedenkort zu nutzen. Demgegenüber verzichtet die Stadt auf die Erstattung der Abrisskosten, mit denen das Grundstück belastet ist, und erklärt sich bereit, regelmäßige Ausgaben wie Grundsteuer und Müllentsorgung zu tragen. Geplant ist es, mit den momentanen rechtmäßigen Besitzern des Grundstücks, Gideon Reiter und Amos Reiter, den Neffen von Amalia Schinagel in Kontakt zu treten. Diese könnten das Grundstück an die Stadt Leipzig unter den Bedingungen übergeben, dass sie von allen finanziellen Ansprüchen ihnen gegenüber befreit werden und dass das Grundstück im oben beschriebenen Sinne als Gedenkort genutzt wird.